Ein altes Sprichwort lautet: „Striegel und Streu tun mehr als Heu.“ Diese bäuerliche Weisheit beruht auch auf unserer heutigen Erfahrung, dass in der Tierhaltung die Pflege der Tiere einschließlich einer guten Einstreu in den Ställen und Käfigen auf Dauer mehr wert ist als eine ständige übermäßige, zum Teil unangebrachte Fütterung mit energiereichem Konzentratfutter. Das betrifft auch unsere Hauskaninchen allgemein und so manche Hobbykaninchen im Besonderen.
Und bei aller Wichtigkeit des Raufutters Heu für Kaninchen spielt das Stroh für eine hygienische Haltung, für gutes Stallklima und als rohfaserreiches Raufutter mit Beschäftigungswert eine oft unterschätzte wichtige Rolle. Nicht zuletzt benötigen die Häsinnen für ihre Würfe geeignetes Nestbaumaterial in Form von kurzhalmigem Stroh.
Für unsere Hauskaninchen in der hobbymäßigen Haltung als Nutz- und Rassetiere ebenso wie für Heimkaninchen sollten wir diese Erkenntnis aus tiergesundheitlichen Gründen noch mehr als bisher wahrnehmen und anwenden.
Das Getreidestroh ist trotz anderer Einstreustoffe nach wie vor hauptsächlichstes Einstreumaterial in den Kaninchenställen. Das Stroh von Getreide und anderen Futterpflanzen bietet den Tieren als Raufutter bekömmliche Nährstoffe und die für die arteigenen Verdauungsabläufe bei den Kaninchen dringend benötigten Rohfasern. Das sind einige der Gründe, warum ich mich mit dem Stroh und mit seiner fachgerechten Lagerung und Verwendung etwas näher beschäftigt habe.
Was ist eigentlich Stroh?
Eine seit Langem bekannte Beschreibung des Strohs lautet in Kurzfassung: „Unter Stroh versteht man die getrocknete Pflanzensubstanz der Getreidearten ohne Wurzelstock und ohne Samen …“
Etwas genauer und unserer Zeit entsprechend, definiert Meyers Lexikon: „Stroh, trockene Blätter und Stängel von gedroschenem Getreide, Hülsenfrüchtlern, Öl- und Faserpflanzen: wird als Einstreu, zur Fütterung der Haustiere, für gewerbliche Zwecke (u. a. Geflechte, Strohdächer) und als Packmaterial verwendet. Es ist reich an Rohfaser (40–50 %) und stickstofffreien Extraktstoffen (30–50 %), arm an Eiweiß (2–5 %) und Fett (1–4 %).“
Inzwischen hat das Stroh als moderner Energieträger nach entsprechender technischer Verwertung eine weitere, bisher ungeahnte Bedeutung erhalten.
Wir möchten uns jedoch mit der traditionellen Verwendung von Stroh als Stallbodeneinstreu und Raufutter beschäftigen.
Stroh ist aber auch das Ende des Einstreu-Futter-Kreislaufes und hinterlässt im Gemisch mit tierischen Ausscheidungen wie Kot und Harn als Mist einen wertvollen Naturdünger für Gärten und Felder.
Die Stroharten
Die meisten Kaninchenhalter wissen, welche Arten von Getreidestroh am besten für ihre Tiere geeignet sind. Das Stroh von Sommergetreide wird von den Kaninchen wegen seiner geringeren Spröde und höheren Schmackhaftigkeit gegenüber dem Stroh von Wintergetreide bevorzugt.
Das Weizenstroh wird oft als das beste Einstreumaterial bezeichnet. Es saugt sehr gut Stallfeuchtigkeit und Harn auf und wird als Futterstroh gern von den Tieren gefressen. Es ist reich an Stärke und besitzt wenige Bitterstoffe.
Das Gerstenstroh ist das zweithäufigste Stroh in der Tierhaltung. Bei etwas geringerer Saugfähigkeit als Weizenstroh besitzt es ebenfalls einen relativ hohen Nährwert. Die Grannen oder Hacheln der Gerste fallen durch das Stroh auf den Stallboden und schädigen die Tiere damit nicht. Ich bevorzuge das Stroh der Sommergerste wegen der Weichheit und vorzüglichen Eignung als wärmendes Nestbaumaterial.
Das Roggenstroh ist sehr hart und faserreich und saugt gut die Stallnässe auf. Der Gehalt des Bitterstoffs Lignin ist der Grund, dass dieses Stroh von den Kaninchen ungern gefressen wird. Eine herausragende Eigenschaft hat Roggenstroh: Es verfärbt in etwas feuchtem Zustand nicht die weiße Fellfarbe von Kaninchen und bindet sogar den Schmutz etwas. Für Rassekaninchenzüchter, die Ausstellungen beschicken, ist diese Eigenschaft des Strohs sehr wertvoll. Immerhin vergibt der Preisrichter für die einwandfreie weiße Fellfarbe und für den Pflegezustand des Tieres 15 Punkte von insgesamt 100 erreichbaren Bewertungspunkten!
Das Haferstroh ist für mich und viele andere Züchter das liebste Stroh für die Fütterung. Dieses Stroh ist am besten verdaulich, offenbar sehr gut im Geschmack und weich als Einstreu- und Nestbaustroh. Haferstroh saugt jedoch die Nässe weniger gut auf und verfärbt im Gegensatz zu Roggenstroh das helle oder weiße Fell an Hinterläufen und am Bauch der Kaninchen ins Gelbliche.
Weitere Arten von Getreidestroh gibt es von Dinkel oder Triticale. Sie werden weniger verwendet und sollen hier nur am Rande erwähnt werden.
Getreidestroh beschaffen, lagern und verbrauchen
Eine Dissertation im Fachbereich Veterinärmedizin an der Universität Gießen hat vor einigen Jahren ergeben, dass 84,7 Prozent der Hobbykaninchenzüchter in Buchten bzw. Stallkäfigen Stroh als Bodeneinstreu verwenden.
Getreidestroh kann man direkt beim Erzeuger, einem Landwirt, kaufen oder von einem Fachhändler für landwirtschaftliche Erzeugnisse beziehen. Kontakthinweise findet man in der örtlichen sowie in der Fachpresse sowie reichlich im Internet.
Kleine, handliche und gepresste Strohballen in einer Größe von etwa 80 x 40 x 40 cm und mit ca. 11 kg Gewicht sind für die Kleintierzucht besser geeignet als große Rund-bzw. Quaderballen. Der Preis pro Kleinballen beträgt ca. 1,50 Euro. Entscheidend ist, dass das Stroh aus der jüngsten Ernte stammt, völlig trocken gepresst und danach entsprechend vorschriftsmäßig gelagert wurde.
Als Käufer und Verbraucher von Getreidestroh hat man ebenfalls einiges bei dessen Lagerung zu beachten. Die Bergeräume müssen vor Witterungsunbilden geschützt und dennoch gut belüftet sein. Stroh wird nicht direkt auf dem Boden gelagert. Lockeres Stroh oder besser Holzpaletten zwecks Umlüftung des Strohstapels haben sich bewährt.
Beim Kauf sowie vor dem Verbrauch prüfen wir die Qualität des Strohs. Es muss seine arteigene Farbe haben und einen frischen und keinesfalls muffigen oder fremdartigen Geruch.
Stroh darf keine durch die Ernte oder andere Einflüsse vorhandenen Fremdkörper wie Sand oder Erde, Steine, Glas oder Metall- bzw. Plastikteile enthalten. Die Feuchte von Stroh sollte maximal 14,5 % betragen.
Es ist besonders auf Schimmelstellen zu achten und den damit verbundenen grauen oder schwarzen Farbveränderungen. Schimmelnester entstehen durch Nässeeinwirkung oder auch durch Milben.
Das Getreidestroh kommt entweder nach dem Misten in die Boxen oder aufgelockert als Nachstreu. Hochtragenden Häsinnen bieten wir rechtzeitig etwa eine Woche vor dem Wurftermin kurzhalmiges, möglichst weiches Stroh für den Nestbau an.
Neben dem Strohverbrauch für Stallbuchten werden gleichermaßen Bodengehege in Innenräumen sowie teilweise überdachte Auslaufgehege im Freien mit Stroheinstreu versehen. Aber auch Transportkisten und Ausstellungskäfige benötigen saugfähiges, trockenes Stroh als Einstreu.
Strohpellets als Einstreumaterial
Stroh muss nicht nur im herkömmlichen Sinne verwendet werden, es kann auch zerkleinert und hochverdichtet in Form von Pellets im Stall als Einstreu dienen. Besonders Ställe mit Kotschubladen ohne Jaucheabfluss sollten unter der Bodenschicht aus Stroh eine Saugschicht aus Weichholzspänen oder mit höherem Kostenaufwand aus Strohpellets erhalten. Letztere haben die Größe von etwa 6 mm Durchmesser und 15 mm Länge. Das Saugvermögen von Strohpellets ist wesentlich höher als das von Strohhalmen.
Die Verwendung von Strohpellets ist zeitsparend und fördert das Stallklima wesentlich. Für den Kaninchenhalter werden diese Pellets in Säcken zu 25 kg (60 Liter) für etwa 9,50 Euro angeboten. Auch hier machen sich für Vereine Sammelbestellungen bezahlt, damit die Kosten für diese moderne Stalleinstreu bezahlbar und im Rahmen des Möglichen bleiben.
Übrigens besitzen gerade Strohpellets als Stalldung den Vorteil, dass sie auf dem Komposthaufen platzsparend und gut untermischbar verwendet werden können.
Sie lassen sich auch leichter als der „normale“ Kaninchendung in entsprechenden Bio-Containern entsorgen.
„Stroh macht froh“
Mit einem alten Bauernsprichwort habe ich meine „Strohbetrachtungen“ begonnen, und damit möchte ich sie auch schließen. Wenn wir neben dem täglichen Heu auch dem Stroh die nötige Aufmerksamkeit als Einstreu und Raufutter widmen, dann geht es nicht nur unseren Tieren gut, sondern wir haben selbst viel mehr Freude an und mit unseren Kaninchen.
Autor: Lothar Thormann